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Pflichtteilsansprüche

Grundsätzlich besteht das Recht, nach freiem Belieben Verfügungen über das eigene Vermögen nach dem Tod zu treffen. Diese Testtierfreiheit wird allerdings durch den sogenannten Pflichtteil beschränkt. Dieser garantiert den Pflichtteilsberechtigten einen Mindestanteil am Nachlass, der grundsätzlich unentziehbar ist. Das Pflichtteilsrecht hat somit eine Ersatzfunktion für ein gesetzliches Erbrecht, das nur deshalb nicht zum Zuge kommt, weil der Erblasser seine gesetzlichen Erben oder einzelne von diesen enterbt hat.

Der Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen ist gesetzlich festgelegt. Hierzu gehören alle Abkömmlinge des Erblassers,  dessen Eltern sowie der Ehegatte. Voraussetzung für den Pflichtteilsanspruch ist immer, dass der Pflichtteilsberechtigte von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen ist. Sind zum Beispiel Abkömmlinge des Erblassers vorhanden, so schließen diese die Eltern des Erblassers von der gesetzlichen Erbfolge aus, sodass den Eltern in diesem Falle auch kein Pflichtteilsanspruch zusteht, obwohl sie grundsätzlich zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehören.

Der Pflichtteil beläuft sich der Höhe nach auf die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Er folgt aus der Pflichtteilsquote und dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls. Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch und richtet sich gegen den Erben, bzw. die Miterben als Gesamtschuldner.

Eine Entziehung des Pflichtteils kann nur durch ein Testament oder einen Erbvertrag erfolgen. Die Gründe für die Entziehung eines Pflichtteils sind abschließend gesetzlich festgelegt und setzen eine schwere Verfehlung des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser voraus.

Alle Pflichtteilsansprüche, auch die vorbereitenden Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung verjähren in drei Jahren.


Die Erbengemeinschaft

Hinterlässt der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlass gemeinschaftliches Vermögen der Erben. Dies bedeutet, dass jeder einzelne Nachlassgegenstand allen Miterben gemeinschaftlich gehört. Dies hat zur Folge, dass ein Miterbe bis zur Teilung des Nachlasses allein nicht über einen einzelnen Nachlassgegenstand verfügen darf. Jeder Miterbe kann allerdings über seinen Anteil am gesamten ungeteilten Nachlass, also über seinen Erbteil, verfügen.

Bis zur Teilung des Nachlasses verwalten die Miterben den Nachlass gemeinschaftlich. Jeder Miterbe ist den anderen gegenüber verpflichtet, zu Maßregeln mitzuwirken, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung erforderlich sind. Ob es sich um eine Maßnahme der ordnungsgemäßen Verwaltung handelt, ist im Einzelfall zu entscheiden. Die Miterbengemeinschaft entscheidet insoweit durch Beschluss mit einfacher Stimmenmehrheit nach der Größe der Erbanteile. Demgegenüber kann die zur Erhaltung notwendigen Maßnahmen jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen. Dieses Alleinverwaltungsrecht ist allerdings nur unter sehr engen Voraussetzungen zulässig. Die Maßnahme muss unaufschiebbar sein und es muss dem handelnden Erben unmöglich sein, die Zustimmung der anderen Erben einzuholen.

Ziel der Erbengemeinschaft ist die baldige Teilung des Nachlasses. Eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft kann jeder Miterbe jederzeit verlangen. Am einfachsten und schnellsten ist natürlich eine einvernehmliche Vereinbarung unter den Miterben. Hier treffen die Angehörigen der Erbengemeinschaft im ersten Schritt eine Vereinbarung über die Auseinandersetzung, den sogenannten Auseinandersetzungsvertrag. Dieser kann grundsätzlich mündlich oder schriftlich, ausdrücklich oder durch schlüssiges Handeln vereinbart werden. Befinden sich im Nachlass aber Gegenstände, deren Übertragung der notariellen Form bedarf (zum Beispiel  Immobilien, GmbH-Anteil) bedarf der Auseinandersetzungsvertrag zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung. Im zweiten Schritt vollziehen die Angehörigen der Erbengemeinschaft die Erbauseinandersetzung, indem sie die Nachlassgegenstände unter den einzelnen Miterben aufteilen. Dieser Vollzug wird auch als Teilung bezeichnet.

Ist eine einvernehmliche Vereinbarung unter den Miterben nicht zu erzielen, kann das Nachlassgericht als vermittelnde Stelle angerufen werden. Das Nachlassgericht wird versuchen, eine Einigung unter den Miterben zu erzielen. Ist jedoch ein Miterbe mit den Vermittlungsbemühungen des Nachlassgerichtes nicht einverstanden, so kommt keine Einigung zustande. Als letztes Mittel bleibt dem Miterben dann nur noch die Erhebung einer Erbauseinandersetzungsklage. Mit dieser Klage begehrt ein Miterbe von den anderen Mitgliedern der Erbengemeinschaft die Zustimmung zu einem in der Klage enthaltenen Teilungsplan. Mit Rechtskraft des Urteils, das auf die Klage ergeht, sind die Voraussetzungen für eine Versteigerung der zum Nachlass gehörenden Grundstücke und beweglichen Sachen geschaffen. Aus den auf diesem Weg erzielten Einnahmen sowie den sonstigen, sich im Nachlass befindlichen Vermögenswerten werden sodann zunächst die Nachlassverbindlichkeiten beglichen. Der dann noch bestehende Überschuss wird an die Erben nach der jeweiligen Erbquote verteilt.

Praxis-Tipp:
Da Streitigkeiten in Erbengemeinschaften häufig auftreten, sollte von Seiten des Erblassers die Bildung einer Erbengemeinschaft möglichst vermieden werden. Mit der Errichtung eines Testaments kann der Erblasser entsprechende Vorsorge treffen. So kann der Erblasser den Ausschluss der Erbauseinandersetzung verfügen oder eine Testamentsvollstreckung oder ein Schiedsverfahren anordnen.


Nichteheliche Lebensgemeinschaft

Paaren, die weder in einer Ehe noch in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammen leben, entstehen hierdurch in erbrechtlicher Hinsicht nicht unwesentliche Nachteile. Grund hierfür ist die Tatsache, dass das gesetzliche Erbrecht ausschließlich den überlebenden Ehegatten sowie den Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft berücksichtigt. Lebte der verstorbene Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, lässt dies der deutsche Gesetzgeber unberücksichtigt. Wer in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft lebt, muss daher gegebenenfalls frühzeitig für den Ernstfall vorsorgen, damit der Partner nicht leer ausgeht.

Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass zu Lebzeiten auf den nichtehelichen Lebenspartner Vermögen, zum Beispiel in Form von Schenkungen übertragen wird. Dies hat allerdings schenkungssteuerliche Nachteile, da der nichteheliche Lebenspartner steuerlich als beliebiger Dritter behandelt und in die schlechteste Steuerklasse III eingestuft wird. Damit steht dem nichtehelichen Partner nur ein allgemeiner Steuerfreibetrag von 20.000 € zu.

Praxis-Tipps:
Sinnvoll kann es sein, den nichtehelichen Lebenspartner über eine Lebensversicherung abzusichern. Die fällige Lebensversicherung unterliegt der Schenkung-und Erbschaftssteuer. Keine Erbschaftssteuer fällt jedoch an, wenn Ihr nichtehelicher Lebenspartner Versicherungsnehmer, Prämienzahler und gleichzeitig bezugsberechtigte Person ist, während Sie versicherte Person sind.

Ferner kann der Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft durch Testament als Erbe eingesetzt werden. Sinnvoll ist es hierbei, das Motiv der Erbeinsetzung anzugeben, um von vornherein den Einwand der Sittenwidrigkeit auszuschließen. Nichteheliche Lebenspartner können allerdings kein gemeinschaftliches Testament errichten, da dies nur Eheleuten vorbehalten ist. Der Nachteil eines Einzeltestamentes liegt jedoch insbesondere darin, dass dies jederzeit widerrufen oder geändert werden kann. Der als Erbe eingesetzte Partner muss in diesem Falle nicht informiert werden. Möglich ist es jedoch, dass beide Partner ein Einzeltestament verfassen und den jeweils anderen Partner zum Erben einsetzen. In diesem Fall kann der Fortbestand des vom anderen Partner errichteten Testamentes zur Bedingung der eigenen Verfügung gemacht werden.

Eine andere Möglichkeit besteht darin, mit Ihrem nichtehelichen Lebenspartner einen Erbvertrag abzuschließen. Nachteil des Ehevertrages ist jedoch, dass hierdurch bereits zu Lebzeiten der beiden Partner eine Bindung an die getroffenen Verfügungen eintritt. Dies bedeutet, dass die Einsetzung des Partners zum Erben grundsätzlich nur im Einvernehmen mit diesem wieder aufgehoben werden kann. Allein das Scheitern der Lebensgemeinschaft hat nicht automatisch zur Folge, dass der Erbvertrag gegenstandslos wird oder dass Ihnen ein gesetzliches Rücktrittsrecht zusteht. Deshalb sollten im Erbvertrag Regelungen für das Scheitern der Lebensgemeinschaft getroffen werden.

Möglich ist es auch, den Lebenspartner durch die Zuwendung von Vermächtnissen wirtschaftlich abzusichern. Im Falle der Aussetzung eines Vermächtnisses zugunsten des Partners steht diesem jedoch lediglich ein entsprechender schuldrechtlicher Anspruch gegenüber den Erben zu. Dies hat häufig Streitigkeiten des Lebenspartners mit den Erben zur Folge. Um derartigen Auseinandersetzungen zu begegnen, kann es sinnvoll sein, einen Testamentsvollstrecker zu bestellen und diesen zu beauftragen, das Vermächtnis zu erfüllen.


EU-Erbrechtsverordnung

Sie gilt ab 17.08.2015 in allen Mitgliedsstaaten der EU mit Ausnahme von Irland, Dänemark und Großbritannien. Diese Verordnung enthält Regelungen zu Erbfällen mit sogenanntem Auslandsbezug.
Beispiel: Ein deutscher Erblasser lebte im Ausland und sein Nachlass enthält ein Ferienhaus in Spanien, ein Mietshaus in Deutschland, Konten in Luxemburg.

Die neue Verordnung regelt für einen solchen Fall dreierlei:

  • Welches nationale Erbrecht anzuwenden ist, Art.20ff. EU-ErbVO, wenn keine speziellen Staatsverträge wie z.B. mit der Türkei und dem Iran existieren;
  • welches Gericht oder welche sonstige Stelle zuständig ist;
  • was ein Europäisches Nachlasszeugnis ist.

Das europäische Nachlasszeugnis ist neu eingeführt und ist fast in der ganzen EU gültig. Mit diesem Zeugnis kann die Erbenstellung nachgewiesen werden.
Die EU-ErbVO enthält eine neue Regelung zum anwendbaren Recht in Erbfällen mit Auslandsberührung. Für Erbfälle nach dem 16.08.2015 gilt aus deutscher Sicht nicht mehr grundsätzlich das Erbrecht des Staates, dessen Staatsangehöriger der Erblasser oder die Erblasserin war. Nunmehr gilt stattdessen grundsätzlich das Recht des Staates seines bzw. ihres letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts.

Beispiel: Wenn ein deutscher Staatsangehöriger seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich hat, gilt für seinen gesamten Nachlass das französische Erbrecht, unabhängig davon, in welchem Staat sich sein Vermögen befindet. Auch in Deutschland gelegene Immobilien werden nach französischem Recht vererbt.

Durch diese Regelungen wird eine sog. „Nachlassspaltung“ vermieden: Bis zum Stichtag wurde im obigen Beispiel bewegliches und unbewegliches Vermögen in Deutschland nach deutschem Erbrecht vererbt, die Immobilie in Frankreich nach französischem Erbrecht. Das konnte zu erheblichen Problemen führen, weil ein „Berliner Testament“ in Frankreich nicht anerkannt wird und ein Ehepartner auch kein Pflichtteilsrecht hat.
Wer seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dem Staat hat, dem er angehört, aber dennoch will, dass im Erbfall sein Heimatrecht anwendbar ist, kann eine sogenannte Rechtswahl treffen, im Rahmen eines Testaments oder eines Erbvertrags.

Die EU-ErbVO lässt staatsvertragliche Regelungen unberührt, z.B. das „Deutsch-Türkische Nachlassabkommen“.

Es ist daher ratsam, bestehende Testamente oder Erbverträge überprüfen zu lassen, wenn es sich um einen Sachverhalt mit Auslandsberührung handelt oder handeln könnte, vor allem darauf, ob die von Ihnen gewünschten Ziele, z.B. Geltung eines bestimmten Erbrechts und die daraus resultierende Erbfolge, (noch) erreicht werden können.